For the record (an und aus)

Es fällt mir immer noch schwer, über Anatol zu schreiben. Ich würde am liebsten ein paar Fotos oder Videos von ihm posten, damit man es besser versteht, das Unbeschreibliche. Aber da dies ein öffentlicher Blog ist, wird es keine Fotos von Anatol geben. Wer ihn kennt (bzw. wer selber kleine Kinder hat), weiß vielleicht, was ich meine: Das rein Faktische (Krabbeln, Stehen, Hinfallen, Wiederaufstehen, Laufen) ist an und für sich langweilig. Und das Hinreißende, vorsprachlich Philosophische, das so einen kleinen Wesen eignet, lässt sich nicht beschreiben. Und die elterlichen Gefühle schließlich – sind privat. (Und außerdem unweigerlich kitschig, wenn ausgesprochen oder aufgeschrieben.) Also muss jemand anders ran.

„Da kommt ja unser kleiner Sonnenschein“, sagt V., die Erzieherin aus Anatols „Nestgruppe“, in der die ganz kleinen Kinder der Kita versammelt sind. Sie schwärmt: Anatol sei immer so gut gelaunt und unterhalte die ganze Gruppe: Keines von den anderen Kindern rede so viel wie er. Wobei „reden“ natürlich die Idee des Sprechens meint. Denn eigentlich brabbelt Anatol (18 Monate) weitgehend unverständliches Zeug – das aber sehr gesten- und variantenreich und mit beträchtlichem Schalk und Charme. Seine Prosodie ist die eines geborenen Entertainers.

Ein paar richtige Worte kann Anatol schon: Aah-loh!, Da!, Heiß! (kurz für: Jetzt gibt’s Essen! Gerne auch kalt) – und natürlich Mama und Papa. Sein erstes Wort war aber eindeutig Dieter. Wir rätseln aber immer noch, ob er damit „dies da!“ sagen oder das „Tatü-Tata“ des Polizeiautos nachahmen will – oder ob es einfach Ausdruck purer Lebenslust ist, also quasi eine verbale Übersprungshandlung.

Gekrabbelt wird zuhause nur fürs Protokoll, quasi der Krankengymnastin zuliebe (zu der er einmal die Woche geht), die es zwar nicht sieht, aber findet, zu einer gesunden Entwicklung der Motorik gehöre die Krabbelphase dazu. Also krabbelt Anatol zwischendrin drei, vier Züge – dann besinnt er sich wieder seiner Berufung und rutscht im Affentempo über den Boden. Wobei man das mit dem Affen durchaus wörtlich verstehen darf: Wie ein Schimpansenbaby tanzt er durch den Raum; Arme, Beine und Po wirbeln in einer fließenden Choreografie durcheinander – und ehe man sich’s versieht, ist er aus dem Blickfeld, in anderen Räumen. Gesunde Entwicklung my ass – so schnell kann kein Mensch krabbeln. So why bother?

Und was ein rechter Aff‘ ist, der klettert natürlich auch gern. In diesem Fall vorzugsweise auf den Stokke-Stuhl des großen Bruders – der darob häufig nicht amused ist. Doch was soll’s. Stoisch steht Anatol auf der obersten Stufe, blickt freundlich triumphierend umher und beugt sich über die Lehne, bis er die Wand mit dem Lichtschalter erreicht. An. Aus. An. Aus. An. Aus. Anatol, aus dir wird mal… ja was? Wir bleiben gespannt.

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