Heute hat sich Anatol (7 Monate) zum ersten Mal vom Bauch auf den Rücken gedreht. Vorher konnte er nur Rücken-Bauch. Das nur als Info für diejenigen Leser, die sich immer beschweren, dass ich nie was über Anatol schreibe. Aber solange Anatol keine lustigen Sachen sagt oder macht, werde ich das auch weiterhin so halten.
Die innige Zweisamkeit, die Anatol und ich seit Dienstantritt der Kindsmutter jeden Tag genießen, ist schließlich unsere Privatsache und zudem nicht weiter beschreibenswert, da sie zwar sehr schön und vergnüglich ist (Anatol lacht viel), sich ansonsten aber nicht wesentlich von der innigen Zweisamkeit in anderen Eltern-Kind-Konstellationen unterscheiden dürfte.
Mitteilenswert finde ich indes nach wie vor die via Sprachproduktion zum Ausdruck kommende Weltwahrnehmung unseres Erstgeborenen. Das nur so als Vorbemerkung – apropos nothing.
Gestern war also der große Tag: Ruben wurde vier. Da die Geburtstagsgäste erst für halbdrei Uhr nachmittags eingeladen waren, galt es nach der rauschhaften Auspackorgie frühmorgens (gefühlte Uhrzeit: 6 Uhr – es war aber schon deutlich nach acht…) noch einiges an Zeit totzuschlagen, respektive: den hibbeligen Neuvierer noch eine Weile bei Laune zu halten.
Nach langwierigen Verhandlungen – Ich möchte aber lieber noch mit dem Müllauto spielen – gelang es meiner Frau, dem nun gar nicht mehr so kleinen Rubelmann eine kleine Open-Air-Exkursion schmackhaft zu machen.
Wir nahmen also ein paar von den Birthday-Balloons und gingen in den Park gegenüber. Dort trafen wir auf unsere netten Nachbarn Sönke und Lisa und deren zweijährige Tochter Sarah. Ruben war in Gönnerlaune und gab Sarah einen von seinen Luftballons ab – den Weißen!
Danach verabschiedeten wir uns und streiften ziellos durch die Straßen von St. Josse – bis mir die rettende Idee kam (es ging schließlich schon auf zwölf Uhr zu): „Wir könnten doch zum Kartoffelmann gehen!“ – Au ja! rief Ruben aus. Ein Besuch bei unserem Lieblingsimbiss El Walida (wegen der leckeren Tortillas auch bekannt als der Kartoffelmann) – das zieht immer.
Ruben zählte beschwingt die Begrenzungspfosten auf unserem Weg, hörte freilich bei vier zu zählen auf: Vier Pfosten, das reicht. Irgendwie logisch, am vierten Geburtstag. Wir erreichten die Ecke Liedekerke/Verbist, doch unserer beider Enttäuschung war groß, als wir die Türen des arabischen Schnellgastronomen verrammelt vorfanden.
Wir beschlossen, es anderswo zu versuchen. Tu es méchant!, rief Ruben zornig einem unschuldigen Halbstarken zu, der das Pech hatte, uns zur Unzeit (pre-potato) zu begegnen. Dann starrte mein Sohn das Graffiti an der Häuserwand vor ihm an und sagte: Scheiß Mauer! (Woran ich in gewisser Weise schuld bin, weil ich ihm erklärt habe, dass man, obgleich es unstatthaft sei, Scheiß Papa zu sagen, durchaus mal von einer „Scheiß Tür“ sprechen könne…)
Er besann sich aber schnell wieder auf das Wesentliche: Wo kriegen wir um diese Tageszeit eine Kartoffel her? Also so breite, präzisierte Ruben mit einer entsprechenden Handbewegung und sah mich dabei streng über den Rand seiner Brille an. Er meinte: Tortillas.
„Das kann ich dir nicht versprechen – aber irgendwas Kartoffelartiges wird es schon geben“, gab ich mich zuversichtlich.
– Wir können auch Reiberdatschi essen [bayrisch für Kartoffelpuffer], zeigte sich mein Sohn generös.
– „Ich glaub nicht, dass es das hier in Belgien gibt“, erwiderte ich, um der nächsten Enttäuschung gleich vorzubeugen.
Schließlich versuchten wir es bei einem türkischen Imbiss an der Place Houwaert, den ich sonst eigentlich nie betrete, weil ich ihn für einen reinen Geldwäschebetrieb halte und dort noch nie jemanden habe essen sehen. Dort gab es, wie zu erwarten auch keine Tortillas, dafür aber wenig vertrauenerweckende Hamburger-Scheiben, was für Ruben jedoch völlig okay war. Ihn interessierte jetzt viel mehr das Schild an der schmalen Wendeltreppe zu unserer Linken: SALLE À 1. ÉTAGE.
Papa, da sind drei A, stellte er fachmännisch fest. Und fragte streng: Warum ist da kein R?
– „Weil es auch Wörter ohne R gibt, Ruben„, erwiderte ich müde.
Wir aßen unseren Dürüm-Hamburger auf, klaubten die letzten Pommes vom Tablett (die überraschenderweise als Beilage gereicht wurden) und machten uns auf nach Hause, wo Mama inzwischen den Tisch gedeckt hatte. Um kurz vor drei kamen die ersten Gäste.
Es wurde ein vergnüglicher Geburtstag mit Schokokuchen drinnen und Luftballonkaputttreten, Eierlauf, Blinde Kuh draußen. Am Schluss, wieder drinnen, zerlegten die Kinder noch das Kinderzimmer, was in etwa so erwartbar war wie weiland Keith Moons Hotelzimmerverwüstungen: Part of the show.
Als alle gegangen waren, räumten Vater und Sohn einträchtig zusammen auf, und alles war gut.
Happy Birthday!
Ich gratuliere und grüße von Herzen.
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