Wir haben Ferien, die ecole maternelle geht erst nächste Woche los, und so habe ich den kleinen Rubelmann zur Zeit ganztags an der Backe, twentyfour-seven.
Es gilt also jeden Tag ein ausgeklügeltes Programm zu entwerfen. Gestern waren wir zum Beispiel auf dem Spielplatz, sind durch die Pfützen getobt, waren Gummistiefel kaufen und haben anschließend das wunderbare Brüsseler Spielzeugmuseum besucht.
Heute sah der Plan vor, nach einem feudalen Mittagessen – Mini-Farfalle mit Tomatensugo, den ich vorsichtshalber als Ketchup deklariert habe, was eine Super-Idee war, denn Ruben aß drei Teller davon, genauso viel wie sein Vater – die Ferme du Parc Maximilien zu besuchen, eine niedliche kleine Tierfarm, die sich unglaublicherweise da befindet, wo Brüssel am scheußlichsten ist: inmitten von Hochhäusern und mehrspurigen Straßen, direkt an der Stadtautobahn in Höhe Ijzer.
Wir fuhren also nach dem Mittagessen mit dem Fahrrad los, diesmal ohne Regenklamotten – was sich bitter rächte, denn schon nach wenigen Metern begann es zu tröpfeln, dann zu regnen und schließlich zu prasseln. Als ich mich den Hügel zum Botanique hochgekämpft hatte, war ich bereits pitschnass. Wir hatten noch nicht mal die Hälfte des Weges zurückgelegt, und ich war kurz versucht, die Waffen zu strecken und mich mit Ruben in die Kindereinrichtung Winnie-Kot (nicht zu verwechseln mit unserer ehemaligen Kita Winnie & Compagnie) zu flüchten.
Doch Ruben focht der Regen nicht an. Gelassen saß er auf dem Kindersitz und erklärte freundlich: Die Pflanzen müssen auch mal Wasser kriegen. (Kürzlich hatte ich ihm auf eine seiner berüchtigten Warum-Fragen hin erklärt, dass der Regen schon seinen Sinn habe, und die Pflanzen sich im Gegensatz zu den Menschen über Wasser von oben freuen.)
Ich nahm mir ein Beispiel an seiner buddhischen Gemütsruhe – und siehe da: Als wir die Ferme erreicht hatten, war meine Hose fast schon wieder trocken. (Aufgrund der Hügeligkeit Brüssels kann man binnen dreißig Minuten problemlos vier verschiedene Klimazonen durchradeln.)
Die Hühner und Gänse wurden mit großer Begeisterung aufgenommen. Guck mal, Papa, ein Hahn! rief Ruben. Der Hahn befand sich zwar in einer ganz anderen Ecke des Hofs als die Hühner, auf die mein Sohn zeigte, war aber deutlich zu hören. Auch die Hasen waren ein großer Renner, vor allem der hellbraune, der etwas tüffelig dreinsah.
Doch schon beim Pfau erlahmte Rubens Interesse, obwohl der eitle Fasanenartige unerhört blau auf seiner Wiese fläzte. Papa, ich möchte Fußball schießen! sagte mein Sohn. Ich verwies auf die vielen anderen Tiere, die es noch anzusehen gelte, und ignorierte seinen Wunsch fürs Erste.
Wir drehten unsere Runde, bewunderten weitere Hasen, Gänse und Truthähne (Papa, ich will jetzt Fußball schießen!) – und trafen schließlich auf eine coole Dreiergang in sich ruhender, völlig kinderkompatibler Nutztiere.

Dass man einen Grunge-Bart auch im Jahre 2012 noch mit Würde tragen kann, beweist eindrucksvoll dieses Tier. Im Hintergrund die Brüsseler Stadtautobahn (Foto: rubelmann.net)
Ruben war beeindruckt und wollte, dass ich das Tier mit dem ausgefallenen Bart füttere (obwohl das laut Schild nicht erlaubt war). Den von mir dargebotenen Strohhalm verschmähte der Kollege jedoch völlig zu Recht. Papa, ich möchte jetzt mit dir Fußball schießen! erinnerte mich Ruben dann wieder an den eigentlichen Zweck unseres Ausflugs, soweit es ihn betraf.
Diesmal lenkte ich ein, und so schnallten wir unsere Helme an (Ruben besteht darauf, dies selber zu tun) und radelten Richtung Elisabeth-Park. Schon in Höhe des Kanals schwante mir Schlimmes: Während im Norden blauer Himmel aufzog, türmten sich vor uns im Westen dunkle Regenwolken auf. Und kaum waren wir in Molenbeek, ging es auch schon los. Je näher wir der Basilika von Koekelberg kamen, desto stärker wurde der Regen.
Schließlich flüchteten wir uns in eine petite restauration namens Au Duc de Brabant. Zwei ältere Herren, die rauchend vor der Tür standen, sorgten sich rührend um Rubens Gesundheit („Nehmen Sie den Tisch neben der Tür, da steht eine elektrische Heizung!“) und die Sicherheit meines Fahrrads („Schließen Sie es da drüben an!“). Dann waren wir drin und bestellten einen Tee und einen chocolat chaud – den Ruben natürlich irgendwann umstieß.
Als wieder alles einigermaßen trocken war, meinte Ruben, nun könnten wir ja wohl endlich… richtig: Fußball schießen! Wir schwangen uns also aufs Fahrrad, und als wir den Elisabeth-Park erreicht hatten, schien schon wieder die Sonne. Wir durchquerten den Park und fuhren hoch zur Basilika, auf dessen Südwest-Seite es ausgedehnte Wiesenflächen gibt, auf denen man wunderbar Fußball schießen kann.
Weil die Wiese noch nass war, spielten wir zunächst auf dem Asphalt, wo uns außer einem freundlich grüßenden Streifenwagen niemand störte. Dann wollte Ruben auf der Wiese weiterspielen. Aber nicht so weit oben am Wegesrand, sondern weiter unten: Da machen die Hunde nicht Kaka, erklärte mir mein Sohn. Er hatte seine Brüssel-Lektion gelernt.
Irgendwann war dann Schluss mit Fußball schießen. Wir radelten wieder nach Hause und blieben von weiteren Regengüssen verschont. Zuhause angekommen, gönnten wir uns eine heiße Badewanne mit Zitronenduft. Als wir wieder frisch und fein waren, wollte Ruben noch mal im Flur mit dem gelben Schaumstoffball spielen. Kurz bevor es losging, stellte er mir noch eine Fachfrage: Und warum können Frauen nicht Fußball schießen?
Von mir hat er das nicht.
Pingback: Die gute Frage (10) | parkwaechter