Bislang dachte ich immer, dass Kinder, die in einer zweisprachigen Umgebung aufwachsen, ganz klar unterscheiden, in welchem Kontext sie welche Sprache sprechen. Das berichteten mir jedenfalls immer wieder Freunde und Bekannte, bei denen ein Partner Deutsch und der andere eine andere Sprache spricht: Immer gibt es eine „Mamasprache“ und eine „Papasprache“.
Da mein Sohn den ganzen Tag in der crèche Französisch spricht, hielt ich es also für völlig normal, dass wir zu Hause Deutsch sprechen. (Zumal weder meine Frau noch ich so gut Französisch sprechen, dass mein Sohn davon profitieren würde.) Bis zu jenem Abend, als ich mit Ruben ein deutsch-französisches Bildwörterbuch anschaute. Ich deutete auf verschiedene Gegenstände und fragte nach dem französischen Wort dafür. Ruben behauptete zwar immer, das jeweilige Wort nicht zu kennen – erklärte mir dies aber mit welschem Zungenschlag. Cela… pas… Ich verstand nicht alles, aber es war eindeutig Französisch.
Heute früh ließ der kleine Rubelmann wieder einmal diverse Gegenstände verschwinden (unter anderem sich, indem er sich die Augen zu hielt) und sagte dazu: Regarde – plus là! Als wir anschließend mit Rubens Holzeisenbahn spielten und ich ohne seine Genehmigung eine liegengebliebene Weiche aus dem Weg räumen wollte, fuhr mein Sohn den Arm aus und sagte streng: Arrête, Monsieur!
Ich hielt sofort inne in meinem Tun und nahm mir vor, ab jetzt besonders gut auf Weichenstellungen zu achten. Oder sollte ich mir eher Gedanken darüber machen, wieso mein Sohn plötzlich diese distanzierte Form der Anrede wählt?