Lule, oder: Warum mein Schatz ein Kurienkardinal ist

Noch mehr Käfer! Bereitwillig schenke ich Kefir nach. Bin ja froh, wenn Ruben die Lule auch ungesüßt zu sich nimmt. Lule kann alles sein, was in seiner Konsistenz weniger fest als Pampe ist, also z.B. jede Art von Joghurt (oder wie es in der Rubelsprache heißt: Lukott), aber auch helle Sahnesoßen oder eben Kefir.

NOCH MEHR! NOCH ME-AAAHR!! NOCH MEAAAAAAHR KÄFÄÄR!!! Inzwischen hat Ruben schon mehr als 300 Milliliter Lule getrunken, aber wer kann einem derart höflichen (und bestimmten) Kind schon einen Wunsch abschlagen, wenn es nach jedem Refill immer artig Marssi sagt.

Inzwischen wird bei uns am Tisch also auch Französisch gesprochen. Aber mit dem letzten Merci wurde zugleich ein kulinarischer Paradigmenwechsel eingeleitet. Ich auch ein Brot. ICH AUCH EIN BROO-OOT! Mit Borsch! Borsch ist indes keine seltene Fischart, sondern einfach nur Wurst.

Kaum ist die Vleesbrood-Schnitte geschmiert (Vleesbrood ist ausnahmsweise mal ein niederländisches Wort: für Leberkäse), verlangt mein Sohn, dass der Vater auch was isst: Papa, KÄSE! KÄÄ-SÄÄ!! Selber Brot essen interessiert jetzt nicht mehr so. Lieber haut Ruben mit der Griffseite des Joghurtlöffels (wieso habe ich ihm den aus Metall gegeben?) ein Loch in unseren liebevoll restaurierten Zwanzigerjahre-Tisch.

Jetzt reichts! Raus aus dem Kinderstuhl und nach einem kurzen gemeinsamen Wutanfall wieder rein. Den zweiteiligen Stuhl kann man nämlich zu einem Maltisch umbauen, indem man die untere Hälfte um neunzig Grad kippt und den oberen Teil, den eigentlichen Sitz, der nun zu einem Ministuhl wird, davorstellt.

Lalleine! sagt Ruben und will selber reinklettern, nur um sogleich festzustellen, dass das wohl doch nicht so einfach ist. Kann niss! Papa! HÄLFÄÄHN!

Siehste – ohne deinen Alten geht es eben doch nicht. Kaum sitzt Sohnemann, wird nicht etwa gemalt, sondern gesungen. Blau blau blau sind alle meine Kleider, blau blau blau ist alles, was ich habe. Darum lieb ich alles, was so blau ist, weil mein Schatz ein… Trambahnschaffner ist!

Dieses Lied kann man auf beliebig viele Strophen erweitern, wenn einem zu der jeweiligen Farbe was einfällt. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass sich ständig das Programm ändert, weil Ruben mitten in der Strophe eine neue Farbe ansagt.
– Gelb gelb gelb sind alle meine…
– GRÜN!!
– Grün grün grün sind…
– ROT!!

Bei Lila – diese Strophe lässt sich wegen der Zweisilbigleit zwar schwer singen, stößt aber stets auf Rubens Zustimmung – greife ich wahlweise auf die klischeebeladene Feministin zurück oder auf einen zu unrecht vergessenen Spitzenkleriker: …weil mein Schatz ein Kurienkardinal ist!

Heute Abend ist der Rubelmann gnädig. Nachdem wir die Teufel verjagt haben (Elternjargon für Zähneputzen) und auf dem Kinderzimmersofa eine Runde Speed Reading absolviert haben (drei Bücher in einer Minute), muss ich bloß drei Lieder singen:
Der Esel!
(„Der Kuckuck und der Esel“)
Der Mond! (Ein Medley aus „Der Mond ist aufgegangen“ und „Wer hat die schönsten Schäfchen“)
und Blau!

Ohne Dazwischengequatsche darf ich Trambahnschaffner, Briefträger, Feuerwehrmann und Bäckermeister zu Ehren kommen lassen und höre, wie es sich für meine schwarze Seele geziemt, mit dem Schornsteinfeger auf. Gute Nacht, Rubelmann! Morgen gibt es wieder meh‘ Lule!

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4 Antworten zu Lule, oder: Warum mein Schatz ein Kurienkardinal ist

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