Der Erdbeermann kann nicht aussteigen, oder: Hallo Sigi, Tschüß Seeros!

Wenn es meinen Sohn nach einer Erdbeere verlangt, klingt das so wie wenn Dragan Stepanovic von einem Erdbeben spricht: Ärbbäbbe. Manchmal ist aber auch nur das Erdbeerauto gemeint, ein niedliches Holzfahrzeug von Haba, in dem ein Mann mit Erdbeerhut sitzt. Anders als die Fahrer diverser anderer Spielzeugautos, ist der Erdbeermann aber angeleimt, weshalb wir unserem Sohn immer wieder bedauernd mitteilen müssen: Ruben, der Erdbeermann kann nicht aussteigen!

Aber dank Rubens kurzer Aufmerksamkeitsspanne ist sowieso bald wieder etwas anderes wichtig, und er will mit dem Eisermann spielen (also der Eisenbahn) oder mit Blauklötzchen – oder den Kranladen bewegen (womit der Krankenwagen gemeint ist). Alternativ kommt das Potzei-Auto oder die Weuerfehr. Oft wird auch nach Tom Maizière gerufen. Damit ist aber nicht der deutsche Verteidigungsminister angesprochen, sondern ein zusammensteckbarer Betonmischer aus Holz.

Wenn Rubel dann erschöpft vom Rumtollen ist, und es ihn dürstet, muss ein Puderwasser her. Was das ist? Na, ein Sprudelwasser natürlich. Dazu reichen wir dann ein Brot mit Maggalage und singen „Frère Jacques“, also Fere Sagge, dormiwu – wobei, halt: seit neuestem singt Ruben Hallo Sigi, dormez-vous. Wo er das herhat – keine Ahnung.

Anschließend blättern wir in einem Buch. Zum Beispiel Robert Gernhardts „Bertolt Biber“: Alarm! Hier spricht die Polizei: Bertolt Biber, der ist frei! Ist aus einem Zoo entwichen, hat sich in die Stadt geschlichen, wo er seitdem klaut und frißt, daß es nicht zu glauben ist. Vor allem bei der Aufzählung der Mundraub-Delikte ist Ruben mit Feuer und Flamme dabei: Hundertzwanzig Streuselkuchen sind verschwunden und wir suchen außerdem ein ganzes Faß Honig, siebzig Ananas. Das Wort „Streuselkuchen“ ist aus dem Mund meines Sohnes die reinste Poesie und einer meiner Favoriten, fast so schön wie „Schildkröte“, das Ruben mit vornehm gespitztem Mund Tilltöööte ausspricht.

Nach der subversiven Gernhardt-Lektüre ist es Zeit für etwas Erbauliches. Wir ziehen die fünfbändige Bilderbuch-Bibel aus dem Schuber – also alle dreißig Sekunden einen anderen Band – und bestaunen die Abenteuer von Seeros. So heißt unser lieber Herr Jesus im rubelschen Sprachgebrauch. Besonders interessiert ist mein Sohn an der Geschichte „Jesus und der Sturm“, wo der Heiland seelenruhig einen Orkan durchschläft, von seinen Jüngern geweckt wird und nonchalant die Wellen – die Wellen! – zum Schweigen bringt. Jesus blickt auf die tobenden Wellen. Er ruft dem Wind und den Wellen zu: „Schweigt jetzt! Seid still!“ Da wird es ganz still.

Das möcht ich auch mal können, denke ich mir, werde aber aus meinen Überlegungen gerissen, denn Ruben verlangt schon wieder nach einem neuen Buch: Tschü-üüß, Seeros!

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6 Antworten zu Der Erdbeermann kann nicht aussteigen, oder: Hallo Sigi, Tschüß Seeros!

  1. Muyserin schreibt:

    Ich kann mich nur wiederholen: das alles ist viel zu schade für nur 7,3 Leser! 😉

  2. parkwaechter schreibt:

    Dann pack mich halt auf Deine Blockrolle, damit eine Ruh ist (blush)

  3. Muyserin schreibt:

    Ist gebloggt, äh gebongt. Isch bin beglüggt.

  4. parkwaechter schreibt:

    Seit gestern haben wir übrigens eine Theorie, warum Ruben „Frère Jacques“ als „Hallo Sigi“ intoniert. Auf einer CD mit beliebten Volksliedern, die Ruben auf langen Autofahrten gelegentlich hört, gibt es eine internationale Fassung mit der französischen, italienischen, englischen und deutschen Version. Und die englische lautet „Are you sleeping, Brother John?“. „Are you sleeping?“ wird bei Ruben zu „Hallo Sigi!“ C’est génial, non?

  5. Pingback: Assez tora! | parkwaechter

  6. Pingback: Kurz vor sechs im Kranladen | parkwaechter

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