Als wir den kleinen Rubelmann in der Crêche anmeldeten, war unsere größte Sorge, dass die Erzieherinnen denken könnten, unser Sohn würde ständig nach seiner Mutter schreien – dabei fremdelt er fast gar nicht, sondern ist nur ein bisschen gierig. Was für französische Ohren wie „ma mère!“ klingen könnte, ist in Wahrheit nur ein energisches Insistieren auf der ewigen Wiederkehr des Immergleichen: Ma mehr!
Wie im Internet lässt sich so ein „Mehr“ mit allem Möglichen verlinken. Ist der Joghurt alle, ergeht die Forderung nach meh‘ Lule! Ist das Bilderbuch ausgelesen (was maximal 30 Sekunden dauert), muss Meh‘ Buch! her. Über all das lässt sich reden. Verschwindet die Sonne hinter einer Wolke, wird es schon schwieriger. Meh‘ Sonne! Wie soll Papa das anstellen? Dann doch lieber Meh‘ Brot und meh‘ Honis!
Auch das Ritual des Einschlafens und Aufstehens folgt dem Mehr-Prinzip. Hat sich der kleine Mann erst mal mit der Unvermeidlichkeit des Schlafengehens abgefunden und liegt in seinem klimafreundlichen Schlafsack, wird das Prokrastinations–Geplänkel mit Wasser! eröffnet, gefolgt von Papa!! Wasser!! und Pap-paa-a!!! Wass-saa-aa!!! Wenn selbiges endlich verabreicht worden ist, wird mit Absetzen des Trinkbechers unter Ausstoßen eines wohligen Seufzers Meh‘ Wasser! verlangt. Das geht praktisch in einem Atemzug. Morgens dann dasselbe mit Mils (bis vor kurzem: Müüs). Kaum ist der erste Becher geleert, heißt es Meh‘ Mils! oder einfach nur Mehr! Wohliger, selbstgewisser Seufzer inklusive.
Kann man schöner, hoffnungsfroher in den Tag starten?
Das ist lustig. Wann sagt er dann „plüdo“ (plus d’eau) zu Dir? Die Mehr-Phase wird übrigens von der Warum-Phase abgelöst, die von der ironisierten Warum-Phase abgelöst wird, die von der … ach lassen wir das.
Plüdo hat er noch nicht gesagt – und wird er wohl auch nicht. Bekanntlich wissen Kinder ja genau, wann sie wem in welcher Sprache antworten müssen. Und die Papa-Sprache ist nun mal eindeutig Deutsch…
Aber gestern hat Ruben auf dem Spielplatz, als ich einen allzu stürmischen Drängler auf der Treppe zur Rutsche zur Mäßigung anhielt, mit strengem Ton wiederholt: „dou-ce-ment!“ Das war das erste französisches Wort, das ich von ihm gehört habe außer „Bonjour“ und „Massi“ (Für Nicht-Lateiner: Merci!). Aber er versteht schon viel mehr, als er uns gegenüber zu erkennen gibt. Das merkt man daran, wie er auf die Sätze der Erzieherinnen reagiert, die dem Vater viel zu kompliziert sind, ihm aber sofort einzuleuchten scheinen…
Jetzt bin ich baff: Beim Abendessen hat er doch tatsächlich „encore!“ gesagt. Was ja fast so gut wie Plüdo ist…
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